Hallo Biest

Ich fahre gut damit, mit Menschen oberflächlich im Kontakt zu stehen, ohne sie an mein Herz zu lassen. Bei diesen Begegnungen kann ich über allem stehen. Mich verletzt nichts und ich bin mit allem zufrieden. Es gibt nie Streit, ich bin nie sauer, es ist schlichtweg unfassbar easy für alle. Ich bin wie eine leichte Fee, die mit jedem gut ist, aber die keiner richtig zu fassen bekommt.
Aber alle paar Jubeljahre passiert es und ich lerne jemanden kennen, der meine Mauern durchbricht. Der mich dazu bringt, mich zu öffnen, die Feenverkleidung abzulegen. Und dann stellen wir alle wieder mit Schrecken fest, dass sich hinter meinen Mauern, unter dem Kostüm ein Biest versteckt. Ich sollte „Vorsicht bissig“ Schilder aufhängen, denn alles was sich von nun an abspielt, ist gefährlich. Das Biest in mir wurde wieder befreit, nehmt euch in Acht. Ich vernichte alles.
Ich hasse von null auf hundert aus tiefstem Herzen, spucke vor Eifersucht Galle und will mich selbst und alle Menschen um mich herum zerstören. Kleinste Bemerkungen fühlen sich an, als ob mir jemand ein Messer ins Herz rammt und dafür wird jeder gnadenlos bestraft. Mit Ignoranz und spitzen Bemerkungen, mit abfälligen Blicken und Schweigen. Ich habe Blut geleckt, ab jetzt kratze und beiße ich, bis ich alles verjagt und für immer verschreckt habe. Danach kann ich Wunden lecken, Mauern wiederaufbauen, Kostüme überstreifen und erneut für die nächsten Jahre unnahbar sein.

31. Januar

 

Das erste was wir in unserem gemeinsamen Wohnzimmer aufstellen, ist ein Plattenspieler. Und während wir den Rest einräumen, hören wir „Pixies“. Die erste Platte, die du mir geschenkt hast. Wir haben eine Dachterrasse, auf der wir die Sommer lang feiern. Unsere Jubiläen werden nur so vorbei rauschen, die Fotos werden sich ins Unendliche ansammeln, die Orte, an denen wir noch nicht gemeinsam waren, werden von Tag zu Tag weniger. Und irgendwann springen 2 kleine Kinder in unserer Wohnung herum und die Welt ist endgültig und für immer perfekt.

Und da ist es wieder. Ich stell mir die Zukunft vor. Die Zukunft mit dir.

Nicht nur, dass ich lange nicht mal an eine Zukunft für mich geglaubt habe – oder gehofft hätte, überhaupt den nächsten Morgen zu erleben – jetzt weiß ich, die Zukunft wird schön. Ich weiß, wie sie aussehen wird. Du bist meine Zukunft.

Und all das denke ich, obwohl ich doch bin, wie ich bin – Ich hasse alte Menschen, ich hasse Pärchen, ich hasse verliebtes Getue, ich hasse ständige Zweisamkeit. Find das lächerlich.

Fand es lächerlich. Habe es gehasst.

Ich hätte nie gedacht, dass genau das mich so glücklich macht, hätte nie geglaubt, ich würde etwas so Wundervolles überhaupt halten können. Ich bin beeindruckt von mir selbst. Aber eben auch vor allem von dir. Du hast es geschafft, mir mein Spiegelbild erträglich zu machen, mir versucht bei zu bringen, mich mit anderen Augen zu sehen. Du hast es geschafft, dass ich glücklich einschlafe, und du hast es geschafft, mir an jedem Morgen einen Grund zum auf stehen zu geben. Hast mir beigebracht, dass immer alles halb so schlimm ist.

Ich bin normalerweise schnell genervt. Ich bin von den meisten Menschen schon genervt, bevor ich sie sehe; aber dich vermiss ich, sobald ich dich eine Minute nicht sehe. Selbst wenn die ganze Welt mich nervt – ich seh dich, und es ist egal. Spielt keine Rolle mehr. Ich freu mich dich zu sehen. Mehr zählt nicht.

Du hast mich zu einem liebenden Menschen gemacht. Dich liebend.

Ich war nie still. Vielleicht nach außen hin, aber nicht im Innern. Ich mach mir Gedanken über Gott und die Welt. Zerbreche mir den Kopf über die kleinsten Kleinigkeiten. Aber dann sitz ich plötzlich vor dir und bin sprachlos. Meine Gedanken sind weg, mein Kopf ist leer, ich werde ruhig, werde still, werde zufrieden. Nicht nur zufrieden. Zufrieden sein, beschreibt für mich einen momentanen Zustand, aber du machst mich glücklich, und glücklich sein, ist etwas von Dauer. Ein Lebensgefühl.

Und ich liebe es, bei dir zu klingeln, liebe es die Treppen hoch zu gehen, durch die offene Tür, hinter der du manchmal auf mich wartest. Oder ich geh direkt in dein Zimmer, das Zimmer, in dem ich mich am wohlsten fühle, in dem ich alles zum ersten Mal erlebt habe. Ich liebe dein Bett und mit dem Kopf auf deiner Brust stundenlang mit dir zu reden. Ich liebe es, bei dir die Uhr zu verstellen, damit ich länger bleiben kann. Und eine Serie nach der anderen zu schauen. Dein Bett nie zu verlassen. Ich halte deine Hand, und halte das glück in meinen Händen.

Aber sobald ich losmuss, hasse ich das alles. Deine Uhr, dein Bett, deine Tür, die Treppen nach unten, aus der Haustür raus. Und dann bin ich ein bisschen leer, hab ein bisschen was verloren, vergessen.

Ich sitz an der Haltestelle, warte auf meine Straßenbahn nach Hause (die ich immer um ein paar Minuten verpasst habe). Ich grinse, bin in Gedanken bei den letzten Stunden mit dir und würde am liebsten sofort zurück.

 


Wir waren so glücklich, dass wir 2 Wimpern einfach so wegschnippen konnten, weil es für uns nichts mehr gab, was wir uns hätten wünschen können.

Aber vermutlich hätte ich beide Wimpern behalten sollen.

Ich hätte mir wünschen sollen, dass ich dich für immer liebe.

Ich hätte mir wünschen sollen, dass du mich für immer liebst.